Michel DE CASO, ein anderer Blick
Chronik von Alain Coudert, Kunstkritiker




Wie im Lied von Alain Souchon «Les garçons ont les yeux qui brillent / Pour un jeux de dupes / Voir sous les jupes des filles»(1), in dem junge Burschen mit glitzernden Augen in einem Narrenspiel unter die Röcke der Mädchen schauen wollen, hat sich jeder sicherlich auch eines Tages gefragt: «Was befindet sich eigentlich hinter einem gemalten Bild?»

Um zumindest teilweise auf diese scheinbar kindliche Frage zu antworten, ist die «Rectoversion» entstanden, ein von Michel De Caso erfundenes und entwickeltes Konzept. Wo andere sich zufrieden gaben, das Bild über seine Grenzen hinaus zu verlängern oder sich Fragen über das Narrenspiel des «champ» und «hors-champ» zu stellen, hat dieser Künstler seine Überlegungen noch weiter getrieben, ohne dass sich seine Sensibilität je verirrt hätte.

Michel De Caso wurde in Toulouse geboren und erhielt seine künstlerische Ausbildung in Paris und Umgebung, wo er bis zum Jahr 2000 blieb. Dann kehrte er in die Nähe von Carcassonne zurück, um im Licht des Südens kreativ zu werden. Seine Welt ist die Welt der Farben. «Ich bin im Alter von 18 Jahren in die Malerei eingetreten, um mit ihr zu verschmelzen», erklärt er. Anfang der '90er Jahre wollte er seinen plastischen Bedürfnissen nach - und über das Bild hinausgehen. Indem er zunächst das Bild abhängte und immer mehr von der Wand entfernte, drängte sich ihm die Rectoversion auf. Wörtlich verstanden bedeutet Rectoversion die «Rotation der Vorderseite».

Die Rückseite ist nicht mehr der versteckte Teil des Bildes. Sie enthüllt sich und bietet Raum für einen anderen Blick. Sie ergänzt die Vorderseite, ist aber in einem anderen Licht gemalt und vervollkommnet deren Sinn. Das «rectovertierte» Gemälde ist vollständig durchbrochen, was dem Ganzen eine dritte Dimension verleiht (der Künstler spricht von dreiflächiger Malerei). Die dritte Dimension schließt den Kreis mit den beiden ersten. Das Bild mit den beiden bemalten Seiten, die durch leere Räume miteinander verbunden sind, wird dann der interpretierenden Scharfsichtigkeit des Betrachters überlassen.

Bei der Rectoversion werden nur Bildunterlagen aus Holz durchlöchert. Leinwand ist für Durchbrüche nicht geeignet, und so werden die Löcher nur suggeriert. «Das Konzept», kommentiert Michel De Caso, «hat sich aus meiner Malerlaufbahn ergeben. Es ist aus meiner praktischen Arbeit entstanden und lässt sich gut meinem metaphysischen Stil anpassen.» Seine Gedanken beschäftigen auch eine ganze Reihe anderer Künstler, die sich - größtenteils dank Internet - in der Bewegung «rectoversion vom Jahr 10 bis zum Jahr 10000» zusammengeschlossen haben. Der Maler betätigt sich auch als Theoretiker und hat mehrere Bücher zu diesem Thema veröffentlicht.

Obwohl Michel De Caso heute mitten im «Land der Katharer» arbeitet, geht es nicht um die Enthüllung von Mysterien, sondern um die Fragen, die der Mensch sich stellt. Die metaphysische Malerei, wie sie der Künstler selbst definiert, trägt zur Erweiterung des Blickes des Betrachters bei, zwingt ihn, sich Fragen zustellen und die Standpunkte zu hinterfragen, von denen aus er das Bild betrachtet, und das ist schon eine ganze Menge. «Im Anschluss an Marcel Duchamp, der geschrieben hatte Der Betrachter schafft das Bild, erklärt die Rectoversion heute Der Betrachter schafft die Vorderseite» fasst Michel de Caso zusammen.

Seine Erfindung ersetzt nicht das Bestehende, sondern bereichert es. Hauptthema ist der Mensch als Ganzes und seine kosmische Integrität : seine Existenz, seine Fragen, seine vielfältigen Seiten, die durch die erzwungene Bewegung um das Werk zur Geltung gebracht werden, und seine Schwächen.

«Wenn das Thema auch bedeutend ist», erklärt Michel De Caso, «lasse ich jedem die Freiheit, es nach seinem Verständnis zu interpretieren.» Dadurch wird es ihm möglich, der Intellektualisierung des von ihm geschaffenen Konzepts zu entgehen und seiner eigenen künstlerischen Sensibilität Ausdruck zu geben und rückwirkend die des Betrachters zu erreichen. Eine Malerei, über die man endlos meditieren kann...


Alain COUDERT (Juli 2004)
Kunstkritiker der Zeitschrift « Arts Actualités Magazine »


Mehr Informationen über die Rectoversion als Konzept und als Künstlerbewegung gibt es auf der Website von Michel De Caso, www.rectoversion.com und in seinem Manifest Rectoversion, l'issue (A.D.A.P.)

(1)
Die Augen der Burschen leuchten
beim listigen Spiel
um unter die Röcke
der Mädchen zu sehen.

Übersetzung Paquita LÜTTGE, LAFAGE2@wanadoo.fr


Wir geben Ihnen gerne weitere Auskünfte.
© Copyright A.D.A.P. & Michel De Caso, 1991-2006.
Alle Rechte vorbehalten. Fûr alle Lânder.


Erfassung vorne Notar der Gesamtheit dieses Web site.